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Stellungnahme zur Sicherung der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe sowie der Qualität der pädagogischen Arbeit durch verlässliche und adäquate Rahmenbedingungen

hier:
Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen (s. Geld oder Stelle – Sekundarstufe I; Zuwendungen zur pädagogischen Übermittagbetreuung/Ganztagsangebote, RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 31. 7. 2008 (ABl. NRW. S. 403, berichtigt 10/08 S. 524))

 

Sehr geehrter Herr Dr. Reichelt,

als Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit NRW möchten wir Sie auf eine spezifischen Problematik im Zusammenhang mit der Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen zwecks Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe aufmerksam machen bzw. Sie in dieser Angelegenheit nach Möglichkeit um Unterstützung bitten.

Weiterführende Schulen in NRW kooperieren seit mehreren Jahren auf der Basis der bislang erlassmäßig abgesicherten Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen erfolgreich mit anerkannten Trägern der Jugendhilfe. Diese Kooperation prägt die pädagogischen Ganztagskonzepte und die Schulentwicklung an diesen Schulen, wodurch eine verantwortungsvolle Vernetzung von Schule und Jugendhilfe mit einem differenzierten Blick auf Kinder und Jugendliche und – im Sinne der individuellen Förderung – eine multiprofessionelle Teamarbeit von Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften und Fachkräften der Schulsozialarbeit möglich ist.

Die Kooperation der zwei Systeme „Schule und Jugendhilfe“ stellt uns erneut vor gemeinsam zu meisternde Herausforderungen:

 

Für die Schulen, die von dieser Kapitalisierung Gebrauch machen und mit einem freien Träger der Jugendhilfe zusammenarbeiten, besteht das Problem, dass die Summe, die pro 0,1 Lehrerstellenanteil kapitalisiert werden kann, seit Einführung des gebundenen Ganztages im Schuljahr 2009/2010 konstant bei 5.000,- geblieben ist. Vergleicht man dies mit der Gehaltsentwicklung von Lehrkräften an Gymnasien, so ergeben sich mittlerweile erhebliche Diskrepanzen. Legt man die Gehaltsentwicklung im entsprechenden Angestelltentarif (TVL, E 13, Stufe 3, Dienstalter: 32) zugrunde, so ist im Zeitraum von 2008 bis 2014 von einer Gehaltsprogression von 17,4 % auszugeben (vergleiche die beiliegende Tabelle). Bei der geringer ausgefallen Progression der Einkünfte der Beamten (A 13, Stufe 6, Lebensalter: 32) ist immer noch eine Diskrepanz von fast 9 % zu verzeichnen. Die unverändert bleibende Höhe der Ansätze pro Lehrerstellenanteil führt damit zu einem beträchtlichen Verlust an Ressourcen im gebundenen Ganztag, denn bei gleichbleibenden Mitteln steht immer weniger Arbeitszeit zur Verfügung.

Auch dieser Umstand führt schon jetzt dazu, dass die in den Ganztagskonzepten formulierten Standards der pädagogischen Arbeiten in den Bereichen individuelle Förderung, Beratung und Betreuung nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden können. Dieses bedeutet de facto eine Ungleichbehandlung der Schulen mit Kapitalisierungsmodellen gegenüber den Schulen, die den 20-prozentigen Ganztagszuschlag ausschließlich für zusätzliche Lehrkräfte verwenden.

Durch diese Ungleichbehandlung entfernt sich das Land Nordrhein-Westfalen von einer gleichwertigen und gleichrangigen Behandlung von Fachkräften im Bildungssystem! Diese Entwicklung läuft einer in inklusiven Zeiten immer notwendigeren, multiprofessionellen Teamarbeit zu wider.

Legt man die allgemeine Entwicklung der Löhne und Gehälter zugrunde, so lässt sich feststellen, dass die Erträge aus der Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen mittlerweile um 8 bis 9% gesunken sind. Dies hat in der Praxis zwei mögliche Konsequenzen zur Folge: Entweder die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kooperierenden Jugendhilfeträger erhalten keinen Anteil an der allgemeinen Entwicklung der Löhne und Gehälter oder aber den Schulen im Ganztag stehen Jahr für Jahr weniger Ressourcen für Angebote der Jugendhilfe zur Verfügung, was bereits heute zu Qualitätsverlusten von pädagogischer Arbeit im Ganztag führt – der pädagogische Standard von Ganztagsangeboten in Schulen, die die Kapitalisierung nutzen, ist mit Blick auf eine gesunde und verantwortungsvolle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen seit 2009 damit gesunken!

Gerade im Hinblick auf die Schulform Gymnasium und die Diskussionen und den Blick auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in G8 sowie die Gestaltung eines pädagogischen Ganztages bedarf es hier der finanziellen Absicherung der im Erlass benannten Ziele und Möglichkeiten.

 

Im Sinne einer guten personellen Ausstattung des Ganztages, einer Qualitätsentwicklung/-sicherung und der explizit gewünschten und von vielen Schulen ausdrücklich wertgeschätzten Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe müsste aus unserer Sicht hier unbedingt nachgesteuert werden.

Es könnte sich sonst die Gefahr ergeben, dass Kapitalisierung zugunsten der ausschließlichen Nutzung des Ganztagszuschlages für Lehrkräfte zurückgenommen werden, was unserer Meinung nach weder im Sinne des Gesetzgebers noch der Schulen, der Jugendhilfe bzw. besonders im Sinne einer gesunden und verantwortungsvollen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sein kann. Die Empfehlungen des Runden Tisches G8 im Ganztag fordern ebenfalls eine ganzheitliche, gesunde und multiprofessionelle Gestaltung des Ganztags für Kinder und Jugendliche.

Fazit

Um die Qualität der pädagogischen Arbeit an den Schulen mit gebundenem Ganztag und hier insbesondere die Vernetzung von Schule und Jugendhilfe dauerhaft und nachhaltig zu sichern, ist eine Verlässlichkeit im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Erträge aus Stellenkapitalisierungen unverzichtbar. Aus den oben dargestellten Punkten ergeben sich somit zwei wesentliche Lösungsansätze:

  1. Die Bemessung der Ansätze für die Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen muss dynamisiert an die Lohnentwicklung gemäß TVL gekoppelt werden.
  2. Die Erträge aus der Kapitalisierung von Lehrerstellenanteilen gemäß Erlasslage und gemäß der jeweiligen Beschlüsse der Schulkonferenzen müssen den Schulen verlässlich zur Verfügung stehen, damit eine Ungleichbehandlung der Schulen im Ganztag vermieden wird und die in den Schulen durch die Schulgemeinschaft entwickelten Konzepte in ihrer Qualität gewürdigt werden.

Wir halten es für geboten, Sie auf diese Problematik als Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit NRW aufmerksam zu machen. Selbstverständlich sind wir bereit, an konstruktiven Lösungen der Problematik mitzuarbeiten. Hierzu stehen wir für entsprechende Beratungen und Gespräche gerne bereit.

Wir bitten Sie, uns und den Fachkräften der Schulsozialarbeit eine Antwort zukommen zu lassen, wie Sie diesem pädagogischen Qualitätsverlust in der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe im Ganztag sowie den negativen Auswirkungen auf die Löhne/Gehälter der pädagogischen Fachkräfte, die bei anerkannten Jugendhilfeträgern und im Ganztag von Schulen beschäftigt sind, begegnen wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Foltin, 1. Vorsitzender,
Dorle Mesch, 2. Vorsitzende